Variabilität ist ein Motor der Evolution

Bereits Charles Darwin erkannte, dass die Variabilität innerhalb einer Population eine der beiden entscheidenden Triebkräfte der Evolution ist. Sähen alle Individuen einer Population gleich aus und hätten sie alle die gleichen Eigenschaften, so hätte die natürliche Auslese nichts, an dem sie ansetzen könnte. Welches Individuum dann seine Gene in die nächste Generation einfließen lassen kann, wäre nur vom Zufall abhängig. Nach der Selektionstheorie DARWINs haben jedoch die Individuen, die am besten an die jeweilige Umwelt angepasst sind, größere Chancen, ihre Gene weiterzugeben.

Diese Schemazeichnung zeigt, dass die Gesamtvariabilität einer Population in zwei große Komponenten aufgeteilt werden kann, nämlich in die genetische Variabilität und in die modifikatorische Variabilität.

Genetische Variabilität

Individuen einer Art unterscheiden sich voneinander, weil sie unterschiedliche Gene haben.

Fachwissenschaftlich ist diese Aussage nicht ganz korrekt. An sich haben alle Individuen einer Art die gleichen Gene, aber die Ausprägung der Gene kann sich unterscheiden. In der Genetik hat man dafür den Begriff Allel eingeführt. Alle Menschen haben - stark vereinfacht gesprochen - ein Gen für die Augenfarbe, aber dieses Gen kann in unterschiedlichen Allelen vorliegen, zum Beispiel "blau", "grün" oder "braun".

Einzelheiten dazu siehe "Genetische Variabilität".

Modifikatorische Variabilität

Modifikationen sind Veränderungen des Phänotyps aufgrund von Umwelteinflüssen.

Menschen bekommen zum Beispiel eine dunkle Haut, wenn sie sich zu lange in die Sonne legen. Dies schützt die tiefer gelegenen Zellen vor der UV-Strahlung, die ja bekanntlich Mutationen auslöst, die dann zu Hautkrebs führen können.

Pflanzen, die im Schatten wachsen, haben größere und gleichzeitig dünnere Blätter als Artgenossen, die im Sonnenlicht stehen, weil sie das spärliche Licht mit diesen Blättern besser verwerten können.

Dies sind zwei Beispiele für Modifikationen. Man sieht an diesen Beispielen sehr gut, dass es für das Individuum von Vorteil ist, wenn es sich an Veränderungen der Umwelt anpassen kann.

Einzelheiten zum Thema siehe "Modifikationen".

Reaktionsnorm

Der Phänotyp eines Individuums kann sich durch Umwelteinflüsse ändern, aber nur in einem gewissen Rahmen. Dieser Rahmen ist genetisch vorgegeben, und man bezeichnet ihn als Reaktionsnorm.

Wenn sich ein Mitteleuropäer in die Sonne legt, wird seine Haut auf Dauer braun, aber niemals dunkelbraun oder gar schwarz. Eine derart starke Melaninproduktion ist für einen hellhäutigen Menschen genetisch nicht möglich. Allerdings gibt es hier deutliche Unterschiede von Mensch zu Mensch. Manche Leute müssen sich nur einen Tag an den Strand legen, und sie werden sofort braun, andere brauchen dafür einen ganzen Urlaub. Manche Leute werden nach zwei Wochen Strandurlaub nur ein bisschen braun, andere werden in der gleichen Zeit richtig dunkelbraun.

Diese Fähigkeit, auf einen Umweltfaktor zu reagieren, ist genetisch bedingt und wird als Reaktionsnorm bezeichnet.

Einzelheiten zu diesem Thema siehe "Reaktionsnorm".

Epigenetik

Kommen wir zu dem kleinen blauen Pfeil, der in der Schemazeichnung vom Kasten "Umwelteinflüsse" zum Kasten "genetische Variabilität" führt:

Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen können sich Umwelteinflüsse auch direkt auf die Gene auswirken. Gemeint sind hier nicht Mutationen, die durch UV- oder Röntgenstrahlen verursacht werden, sondern das An- und Abschalten von Genen durch Umweltfaktoren wie Hitze, Kälte, Hunger und so weiter.

Bestimmte Umweltfaktoren führen dazu, dass Abschnitte der DNA methyliert werden (es werden Methyl-Gruppen an die DNA bzw. an die Histone gehängt). Durch diese Methylierung rücken die Nucleosomen im Zellkern näher zusammen, so dass die RNA-Polymerase Probleme hat, die entsprechenden Gene zu transkribieren. Diese Gene werden dadurch quasi abgeschaltet. Das Interessante an der Sache ist aber, dass ein solches "Methylierungsmuster" vererbt werden kann. Die selben Gene, die im Erbgut der Mutter stillgelegt worden sind, werden auch bei den Kindern und bei den Enkeln stillgelegt. Nach drei bis vier Generationen verliert sich der Effekt allerdings wieder, so weit man bisher weiß.

Noch gibt es nicht viele Beispiele für solche epigentischen Einflüsse, aber dieses neue Gebiet der Genetik befindet sich in rasantem Aufschwung.

Einzelheiten zu diesem interessanten Gebiet siehe "Epigenetik".

Variabilität

Die Variabilität innerhalb einer Population ist einer der beiden Motoren der Evolution. Ohne Variabilität hat die natürliche Auslese nichts, woran sie ansetzen kann. Variabilität heißt, dass alle Individuen einer Population unterschiedlich aussehen und unterschiedliche Eigenschaften haben, was sich auch auf die Angepasstheit an die jeweilige Umwelt bezieht.

Variabilität hat zwei Ursachen, eine genetische und eine umweltbedingte. Das kann man sich an einem einfachen Beispiel klar machen. Hellhäutige Menschen bekommen eine dunklere Hautfarbe, wenn sie sich länger der UV-Strahlung aussetzen. Diese Veränderung fällt unter den Begriff der modifikatorischen Variabilität. Manche Menschen werden aber besonders kräftig braun, während andere Menschen ihre Hautfarbe kaum verändern oder einen Sonnenbrand bekommen, wenn sie länger in der Sonne liegen. Diese Fähigkeit zur umweltbedingten Veränderung, die sogenannte Reaktionsnorm, ist angeboren, also genetisch bedingt.

Bisher nahm man an, dass entweder die Gene oder die Umwelt auf die Variabilität einwirkt. Heute weiß man, dass die Umwelt auch Einfluss auf die Gene hat, also quasi auf doppelte Weise die Variabilität beeinflussen kann. Mit diesem Einfluss der Umwelt auf die Gene beschäftigt sich das neue Gebiet der Epigenetik.