Positive Mutationen sind Mutationen, welche die Fitness eines Individuums erhöhen, also die Zahl der Nachkommen im Vergleich zur durchschnittlichen Nachkommenzahl in der Population. Im Gegensatz zu neutralen oder schädlichen Mutationen sind positive Mutationen sehr selten. Trotzdem sind sie der Motor der Evolution. Im Folgenden möchte ich Ihnen hier zwei Beispiele für positive Mutationen vorstellen, die ich bei meinen Recherchen auf den Spektrum-Seiten gefunden habe.
Mutation des Gens für den Natriumkanal bei Strumpfbandnattern
Viele Tiere schützen sich mit hochgiftigen Substanzen gegen Fressfeinde, so auch viele Molche. Ihre Haut enthält Tetrodotoxin (TTX), ein Nervengift, das in kurzer Zeit zum Tod durch Atemlähmung führt. Tetrodotoxin blockiert die elektrisch gesteuerten Natriumkanäle der Nervenzellen. Wenn diese blockiert sind, können keine Aktionspotenziale mehr entstehen, und die von der Nervenzelle versorgten Muskeln erhalten keine Impulse mehr: Lähmung.
Nun gibt es in Kalifornien aber eine Reihe von Schlangen, die dennoch solche Molche fressen. Um herauszufinden, warum diese Schlangen resistent gegen das Gift sind, untersuchten amerikanische Wissenschaftler (GEFFENEY und Kollegen von der Utah State University) vier Populationen der amerikanischen Strumpfbandnatter (Thamnophis sirtalis). Eine der vier Populationen war nicht resistent gegen Tetrodotoxin, diese Tiere fraßen die Molche nicht. Die anderen drei Populationen waren in unterschiedlichem Maße resistent. Die Wissenschaftler vermuteten eine Mutation im Gen für den Natriumkanal und untersuchten die DNA von Individuen aller vier Populationen. Und tatsächlich, die Individuen der drei resistenten Population hatten alle eine Mutation im Gen für den Natriumkanal. Recht überrascht waren die Wissenschaftler, als sich herausstellte, dass nur eine einzige Aminosäure ausgetauscht werden muss, um den Natriumkanal gegen den Giftstoff unempfindlich zu machen. Durch den Austausch dieser einen Aminosäure verändert sich die Bindungsstelle für das Tetrodotoxin, so dass sich dieses nicht mehr am Natriumkanal festsetzen kann (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
Quelle: Spektrum direkt, "Aggressive Beute", 8. April 2005
Mutation des Gens für den Natriumkanal bei Muscheln
Muscheln sind oft von Parasiten besiedelt: Cyanobakterien oder Dinoflagellaten, die den Giftstoff Saxotoxin freisetzen. Beim Verzehr solcher Muscheln kann eine sehr gefährliche Muschelvergiftung auftreten.
In Gegenden, in denen es häufiger zum Befall mit Dinoflagellaten kommt, gibt es jedoch Muscheln, die resistent gegen das Saxotoxin sind. Untersuchungen haben ergeben, dass das Saxotoxin ähnlich wie Tetrodotoxin (siehe Beispiel oben) den Natriumkanal der Nervenzellen blockiert. Auch bei den resistenten Muscheln hat man nun Mutationen im Gen des Natriumkanals nachgewiesen, die ein Andocken des Giftstoffes erfolgreich verhindern.
Quelle: Spektrum direkt, "Mutation mach Muscheln resistent gegen natürliche Toxine", 8. April 2005