Ein einfaches Modell für einen elektrisch gesteuerten Natrium-Kanal

Hier sehen Sie ein einfaches Funktionsmodell eines elektrisch gesteuerten Natrium-Kanals. In Wirklichkeit ist dieser Kanal wesentlich komplexer aufgebaut.

Dieses Funktionsmodell besteht aus zwei Protein-Einheiten, die in die Lipid-Doppelschicht eingebettet sind. Achten Sie auf die positiv geladenen Aminosäuren im unteren Ende jeder Protein-Einheit (symbolisiert durch kleine rote Kugeln).

Die Membran ist auf der Innenseite negativ geladen (Ruhepotenzial), und diese negative Ladung zieht jetzt die positiv geladenen Aminosäuren in den Protein-Einheiten an. Diese Aminosäuren können daher auch als Spannungssensoren bezeichnet werden. Dadurch verändert sich die Lage der Proteine in unserem Funktionsmodell so, dass der Kanal auf der Außenseite der Membran verschlossen ist. Ionen oder andere Teilchen können den Kanal nicht passieren.

Was passiert nun, wenn die Membran depolarisiert wird?

Durch Einströmen positiver Ionen wie beispielsweise Na+ nimmt die Zahl der negativen Ladungen auf der Membraninnenseite deutlich ab. Die positiven Aminosäuren in den beiden Protein-Einheiten werden nicht mehr so stark angezogen oder vielleicht auch gar nicht mehr angezogen, und die Konformation der Protein-Einheiten ändert sich. In unserem einfachen Modell entsteht jetzt eine Öffnung auf der Außenseite der Membran, durch die Natrium-Ionen mit dem Konzentrations- und Ladungsgefälle in die Zelle diffundieren können.

Der "echte" spannungsgesteuerte Natrium-Kanal

Ganz so einfach wie in diesem Funktionsmodell ist der richtige spannungsgesteuerte Natrium-Kanal leider nicht aufgebaut. Außerdem muss man dazu sagen, dass es nicht nur einen spannungsgesteuerten Natrium-Kanal gibt, sondern eine ganze Reihe verschiedener Na+-Kanäle.

Die deutsche Wikipedia hält sich bei dem Stichwort "Natrium-Kanal" leider etwas zurück, daher habe ich mich in der englischen Wikipedia umgeschaut und dabei folgende Abbildung gefunden:

Was sehen wir hier? Der hier abgebildete spannungsgesteuerte Natrium-Kanal ist ein Protein, das aus vier Domänen besteht, also vier Abschnitten oder Funktionsbereichen. Jede dieser Domänen wiederum besteht aus sechs Alpha-Helices, die hier mit 1 bis 6 durchnummeriert sind. Die sechs Helices einer Domäne sind durch einfache Peptidketten miteinander verbunden, ebenso wie die vier Domänen I, II, III und IV.

Das Interessante an dieser Struktur: Jeweils eine der sechs Helices (stets Nr. 4) ist positiv geladen, in der Abbildung sind diese Helices grün gezeichnet. In unserem einfachen Funktionsmodell hatten wir ja auch positiv geladene Aminosäuren eingezeichnet. Die Rolle der Spannungssensoren übernehmen beim "echten" Kanal diese vier Alpha-Helices.

Natürlich ist der Kanal in Wirklichkeit nicht so angeordnet wie auf dem obigen Bild. Auf der Zeichnung hat man das lange Protein quasi auseinandergezogen. Ich habe mal versucht, den Natrium-Kanal in der Aufsicht zu zeichnen:

Die vier Domänen des Kanal-Proteins (hier farblich unterschiedlich dargestellt) sind so angeordnet, dass sie einen hydrophilen Kanal ins Zellinnere bilden, durch den Natrium-Ionen, nicht aber Kalium-Ionen oder andere Ionen passen. Die Größenverhältnisse in dieser Graphik sind wahrscheinlich nicht ganz korrekt, aber das sollte uns jetzt nicht stören.

Die drei Zustände eines spannungsgesteuerten Natriumkanals

Auf dieser Zeichnung - inspiriert durch die Darstellung auf der Chemgapedia - sieht man einen spannungsgesteuerten Natriumkanal während des Ruhezustandes einer Nervenzelle.

Der Natriumkanal besitzt vier wichtige Funktionselemente, die wir jetzt von oben nach unten betrachten:

  1. Selektivitätsfilter - das ist quasi das "aktive Zentrum" des Natriumkanals. Hier muss sich das Natrium-Ion nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip hineinsetzen, um weiterbefördert zu werden. Andere Kationen können diesen Selektivitätsfilter nicht passieren, wegen ihrer Größe oder wegen ihrer Ladung.
  2. Spannungssensor - das sind die weiter oben besprochenen positiv geladenen Aminosäuren. Die Gruppe von Aminosäuren, durch den roten Kasten dargestellt, ist beweglich in den Natriumkanal eingelagert. Wenn die Membraninnenseite stark negativ geladen ist, wie zum Beispiel im Ruhezustand, dann befindet sich diese Gruppe weiter "unten", also näher zur Innenseite der Membran. Ist die negative Ladung der Membraninnenseite nicht so stark, dann "rutscht" der Spannungssensor weiter nach "oben", also in Richtung Außenseite.
  3. Tor - das eine eine Verengung des Kanals, die das Ion passieren muss. Die Aminosäuren dieses Tors sind mit dem Spannungssensor mechanisch verbunden (über weitere Aminosäuren). Wenn der Spannungssensor nach "oben" wandert, dann werden die Aminosäuren des Tors weiter auseinander gezogen, und das Tor öffnet sich. Das ist aber auf der nächsten Abbildung besser dargestellt.
  4. Inaktivierungstor - Dieser "Pfropfen" kann den Kanal auf der Membraninnenseite komplett verschließen. Wie und wann das passiert, sehen wir auf der nächsten Abbildung.

Ein spannungsgesteuerter Natriumkanal der Axonmembran kann in drei Zuständen vorkommen:

  1. Geschlossen: Im diesem Zustand ist das Tor des Natriumkanals zu. Die Natrium-Ionen können zwar den Selektivitätsfilter passieren, das Tor ist aber verschlossen. Dieser Zustand liegt vor, wenn an der Membran des Axons ein Membranpotenzial von -70 mV herrscht.
  2. Offen: Bei einer Depolarisierung der Membran auf ca. -50 mV(1) schwächt sich die negative Ladung auf der Membraninnenseite ab. Der Spannungssensor wird nicht mehr so stark von der Innenseite angezogen und "wandert" nach oben. Da der Spannungssensor mechanisch mit den Torflügeln verbunden ist, öffnet sich das Tor, und Natrium-Ionen können mit dem Konzentrationsgefälle nach innen diffundieren. Das führt dann dazu, dass sich weitere Natrium-Kanäle öffnen (siehe auch die Vertiefungsseite hierzu).
  3. Inaktiviert: Wird die Membran im Verlauf des Aktionspotenzials noch stärker depolarisiert, bleibt das Tor zwar zunächst noch geöffnet, aber das Inaktivierungstor verschließt den Kanal. Nun können keine Natrium-Ionen mehr in die Zelle eindringen. Da sich die Kaliumkanäle inzwischen vollständig geöffnet haben, kommt es zum Ausstrom positiver Ladungen, und es findet eine Repolarisierung der Membran statt.

Das Inaktivierungstor bleibt solange verschlossen, bis die Kalium-Natrium-Pumpe die ursprünglichen Ionenkonzentrationen wieder hergestellt hat. Dann öffnet sich das Inaktivierungstor, während sich das eigentliche Tor wieder schließt, denn der Spannungssensor registriert, dass auch das ursprüngliche Membranpotenzial wieder hergestellt ist, und "wandert" entsprechend nach unten, also in Richtung Membraninnenseite. Der Kanal liegt nun wieder im geschlossenen aber aktivierbaren Zustand vor.

Spannungsgesteuerte Kalium-Kanäle

Im Zusammenhang mit dem Aktionspotenzial sind nur die spannungsgesteuerten Kalium-Kanäle von Interesse - wenn auch manche Schulbücher die Repolarisierungsphase des Aktionspotenzials ausschließlich mit Hilfe der Sickerkanäle erklären. Wie alle spannungsgesteuerten Ionenkanäle verfügt auch der Kalium-Kanal über eine Region, die aus elektrisch geladenen Aminosäuren besteht und deren Position innerhalb des Kanals sich in Abhängigkeit vom Membranpotenzial ändern kann. So kann ein einfacher Schließmechanismus realisiert werden, ähnlich wie wir ihn bereits beim spannungsgesteuerten Natrium-Kanal kennen gelernt haben. Im Übrigen ist ein solcher Kalium-Kanal fast genau so aufgebaut wie ein Natrium-Kanal. Er besteht auch aus vier Domänen mit je sechs Alpha-Helices, von denen eine als Spannungssensor arbeitet. Allerdings hat ein Kalium-Kanal kein "Innentor", sondern nur ein spezifisches "Außentor".

Die Kalium-Kanäle haben das gleiche Schwellenpotenzial wie die Natrium-Kanäle. Das heißt, wenn im Laufe einer Depolarisierung das Membranpotenzial einen bestimmten Wert erreicht, z.B. -40 mV, so öffnen sich sowohl die spannungsgesteuerten Natrium-Kanäle wie auch die spannungsgesteuerten Kalium-Kanäle. Im Unterschied zu den Natrium-Kanälen sind die Kalium-Kanäle jedoch ziemlich langsam. Zu dem Zeitpunkt, an dem sich bereits die meisten Natrium-Kanäle geöffnet haben, hat sich nur ein Bruchteil der Kalium-Kanäle geöffnet.

Ein kleines Problem mit Kalium-Ionen

Jetzt wird es interessant. Kalium-Ionen sind größer als Natrium-Ionen; das Element Kalium steht im Periodensystem unter dem Natrium, denn es hat eine Elektronenschale mehr als Natrium. Wieso kann ein Kalium-Kanal jetzt Kalium-Ionen passieren lassen, Natrium-Ionen, die ja kleiner sind, aber nicht?

Hier kommt die (recht chemisch-physikalische) Lösung des Problems

Sowohl Natrium- wie auch Kalium-Ionen sind einfach positiv geladen. Bei den kleinen Natrium-Ionen verteilt sich diese positive Ladung aber auf ein kleineres Volumen als bei den großen Kalium-Ionen. Der entscheidende Fachbegriff hierfür ist die Ladungsdichte. Natrium-Ionen haben eine höhere Ladungsdichte als Kalium-Ionen.

Das wiederum hat zur Folge, dass Natrium-Ionen die Wasser-Moleküle aus der Umgebung stärker anziehen als Kalium-Ionen. Natrium-Ionen besitzen daher eine sehr große Hydrathülle, Kalium-Ionen wegen der geringeren Ladungsdichte nur eine recht kleine Hydrathülle. Dies führt schließlich dazu, dass hydratisierte Natrium-Ionen größer sind als hydratisierte Kalium-Ionen.

Somit ist es für den Kalium-Kanal überhaupt kein Problem, hydratisierte Kalium-Ionen durchzulassen, während die größeren hydratisierten Natrium-Ionen draußen bleiben müssen.

Bei Natrium-Kanälen ist es übrigens genau umgekehrt. Ein Natrium-Kanal ist so aufgebaut, dass zunächst die Hydrathülle der eintretenden Ionen entfernt wird. Den Kanal müssen die Ionen quasi "nackt" passieren, ohne Hydrathülle. Dann sind aber die Natrium-Ionen im Vorteil, denn die sind ja ohne Hydrathülle kleiner als die Kalium-Ionen. Also kann ein Natrium-Kanal die Natrium-Ionen passieren lassen, die Kalium-Ionen dagegen sind zu groß.