Konzentrationsverhältnisse an/in einer Nervenzelle

Ich hoffe, Sie haben sich die beiden Modellversuche zum Ruhepotenzial angesehen, vor allem den Modellversuch 2, der ja fast schon nahtlos zum Ruhepotenzial hinführt.

Schauen wir uns nun mal an, welche Ionen bei einer "echten" Nervenzelle eine Rolle spielen:

Die Tabelle zeigt uns die Verteilung von Natrium-, Kalium-, Chlorid- sowie organischen Anionen innerhalb und außerhalb eines Säugetierneurons in mmol/l. Die Werte stammen aus dem alten "Schmidt" [1].

Aufgabe

Beschreiben Sie die Ionenverteilung an der Membran einer Nervenzelle!

Genau so eine Aufgabe könnte auch in einer Biologie-Klausur kommen. Schauen wir uns eine mögliche Lösung der Aufgabe an.

Beschreibung der Ionenverteilung

Alle vier Ionensorten sind völlig ungleichmäßig verteilt. Die Konzentration der Natrium-Ionen ist mit 145 mmol/l außerhalb der Zelle ca. 12 mal so groß wie innerhalb der Zelle (12 mmol/l). Es herrscht also ein starker Na+-Gradient von außen nach innen.

Bei den Kalium-Ionen sieht es genau umgekehrt aus. Im Innern der Zelle liegt eine Konzentration von 155 mmol/l vor, außerhalb der Zelle finden wir nur 4 mmol/l. Im Zellinnern befinden sich also mehr als 30 mal so viele Kalium-Ionen wie außerhalb der Zelle, es herrscht somit ein starker K+-Gradient von innen nach außen.

Bei den Chlorid-Ionen sieht es ähnlich aus wie bei den Natrium-Ionen: 120 mmol/l außerhalb der Zelle, 4 mmol/l innerhalb der Zelle; ein starker Cl--Gradient ist von außen nach innen gerichtet.

Ganz extrem ist es bei den organischen Anionen. Im Zellinnern herrscht eine hohe Konzentration von 155 mmol/l, außerhalb der Zelle finden sich überhaupt keine organischen Anionen. Es herrscht also ein starker A--Gradient von innen nach außen.

Bei den organischen Anionen handelt es sich übrigens um große organische Moleküle, die eine negative Ladung tragen, zum Beispiel Oxalacetat, Citrat, Acetat und so weiter, vor allem aber um Aminosäure-Reste und negativ geladene Peptide.

Permeabilitäten

Ein starker Konzentrationsgradient ist eine Voraussetzung für eine Diffusion durch eine Membran. Aber das nutzt überhaupt nichts, wenn die Membran undurchlässig für die Teilchen ist. Dann kann der Konzentrationsgradient noch so hoch sein, es kommt keine Diffusion zustande. Also spielt nicht nur der Konzentrationsgradient eine wichtige Rolle für die Diffusion, sondern auch die Permeabilität der Membran, also die Durchlässigkeit.

Betrachten wir nun die Membranpermeabilitäten für die verschiedenen Ionensorten, die beim Ruhepotenzial eine Rolle spielen [2]:

Kalium-Ionen werden am besten durchgelassen, daher wurde die K+-Permeabilität willkürlich auf den Wert 1 gesetzt, was auch als 100% interpretiert werden kann. Chlorid-Ionen können die Membran knapp halb so gut passieren (45%), während Natrium-Ionen kaum noch durchgelassen werden (4%). Die großen organischen Anionen können die Membran überhaupt nicht passieren (0%).

Eine der Gründe für diese unterschiedlichen Permeabilitäten ist sicherlich die Größe der Ionen.

Die Kalium-Ionen sind mit 7 pm am kleinsten (1 pm = 10-12 m), gefolgt von den Chlorid-Ionen mit 8 pm, den Natrium-Ionen mit 12 pm und den organischen Anionen mit über 15 pm.

K+-Hintergrundkanäle

Im Ruhezustand einer Nervenzelle sind normalerweise alle Ionenkanäle geschlossen. Nur einige spezielle Kalium-Kanäle sind im Ruhezustand geöffnet, die sogenannten K+-Hintergrundkanäle. Diese K+-Hintergrundkanäle sind für die Permeabilität der Membran für Kalium-Ionen verantwortlich.

Schlussfolgerungen

Fassen wir noch einmal die eben festgestellten Fakten zusammen:

Im Außenmedium befinden sich viele Natrium- und Chlorid-Ionen, im Zellinnern viele Kalium-Ionen sowie große organische Anionen,

Die Membran der Nervenzelle ist relativ gut durchlässig für Kalium-Ionen (ständig geöffnete K+-Hintergrundkanäle), einigermaßen gut durchlässig für Chlorid-Ionen, kaum durchlässig für Natrium-Ionen und absolut nicht durchlässig für die organischen Anionen.

Wie kann man nun mit Hilfe dieser Fakten das Zustandekommen des Ruhepotenzials erklären?

Zustandekommen des Ruhepotenzials

Ähnlich wie im Modellversuch 2 (den Sie sich hoffentlich angesehen haben; wenn nicht, wäre jetzt eine gute Gelegenheit...), spielt hier die Kalium-Diffusion eine entscheidende Rolle. Durch die ständig geöffneten K+-Hintergrundkanäle diffundieren ein paar wenige Kalium-Ionen aus dem Zellplasma der Nervenzelle nach außen. Triebkraft hierfür ist der starke K+-Konzentrationsgradient von innen nach außen (das chemische K+-Potenzial).

Auf der Membraninnenseite bildet sich durch die K+-Diffusion eine negative Ladung, auf der Membranaußenseite eine positive Ladung. Es ensteht also ein elektrisches Potenzial. Dieses ist dem chemischen Potenzial der K+-Ionen entgegengerichtet.

Einfach ausgedrückt:
Das chemische Potenzial "drückt" die Kalium-Ionen nach außen, das elektrische Potenzial "zieht" sie nach innen.

Mit jedem Kalium-Ion, das nach außen diffundiert, wird das chemische Potenzial der Kalium-Ionen kleiner (der Konzentrationsgradient wird kleiner), und das elektrische Potenzial wird größer (die Membranspannung steigt). Schon nach kurzer Zeit sind beide Potenziale gleich groß. Es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein, wie es schon beim Modellversuch 2 beschrieben wurde. Da dieses Gleichgewicht zwischen dem chemischen K+-Potenzial und dem elektrischen Potenzial besteht, wird es als elektrochemisches Gleichgewicht bezeichnet.

Nun können wir endlich den Begriff des Ruhepotenzials korrekt definieren:

Ruhepotenzial

Das Membranpotenzial, dass an einer Nervenzelle im Zustand des elektrochemischen Gleichgewichts gemessen werden kann.

Berechnung des Ruhepotenzials

Aus den gegebenen Konzentrationsverhältnissen der Ionen sowie den Membranpermeabi

Vertiefung

Für leistungsstarke GK-Schüler, LK-Schüler und Studenten und andere Interessierte habe ich auf einer etwas älteren Seite den zweiten Modellversuch noch einmal etwas genauer und vor allem quantitativer ausgeführt. Auf dieser Vertiefungsseite kann man sehr gut nachvollziehen, wie sich das chemische Kaliumpotenzial und das elektrische Potenzial immer mehr annähern, bis schließlich ein elektrochmisches Gleichgewicht entsteht - das Ruhepotenzial.

Einfache Darstellung

Für Schüler, denen das hier alles zu schwer ist, habe ich eine Seite geschrieben, auf der das Zustandekommen des Ruhepotenzial ganz einfach erklärt wird - ich hoffe jedenfalls, dass diese Erklärung sehr einfach ist. Ganz ohne Fachbegriffe geht es leider nicht.

Quellen:

  1. Schmidt, Grundriß der Neurophysiologie, Berlin Heidelberg 1987
  2. Kandel, Schwartz, Jessel, Neurowissenschaften, Heidelberg, Berlin, Oxford 1996.