Die Myelinscheide ist ein aus Schwannschen Zellen gebildeter Mantel, der das Axon einer Nervenzelle schützend und unterstützend umschließt.

Die Myelinscheide eines Axons besteht aus bis zu 500 Schwannschen Zellen, das sind spezielle Gliazellen, die sich wie ein Lappen um das Axon mehrmals herumwickeln.

In der Abbildung 1 sieht man einen Abschnitt des Axons, der von zwei Schwannschen Zellen "umwickelt" ist. Die vordere Schwannsche Zelle ist aufgeschnitten, so dass man besser in das Innere sehen kann. Den violett gezeichneten Zellkern dieser Zelle kann man gut erkennen.

Das nächste Bild zeigt einen elektronenmikroskopischen Querschnitt durch ein myelinisiertes Axon:

Die Schwannsche Zelle hat das Axon acht- oder neunmal umwickelt, so genau kann man es auf dieser Aufnahme nicht erkennen.

Dieses Bild zeigt das Herumwickeln einer Schwannschen Zelle um das Axon in drei Schritten. Beim Herumwickeln wird die Schwannsche Zelle immer länger und dabei flacher; das Cytoplasma wird aus den inneren Schichten regelrecht herausgequetscht, so dass der Innenbereich der Schwannschen Zelle praktisch nur noch aus den Zellmembranen besteht.

Zusammensetzung der Membranen der Myelinscheide

Die mehrfach gelagerten Membranen der Myelinscheide sind im Prinzip genau so aufgebaut wie eine normale Zellmembran. Allerdings ist der Lipidgehalt mit ca. 70% deutlich höher als bei normalen Zellmembranen [1]. Dies führt zu einer sehr niedrigen Dichte der Myelinmembran von nur 0,25 g/cm3. Normale Zellmembranen haben einen höheren Proteinanteil und daher auch eine höhere Dichte von ca. 1,2 bis 1,3 g/cm3. Wegen des hohen Lipidanteils sieht die Myelinscheide im Mikroskop meistens weiß aus, weswegen stark myelinisierte Nerven oft als "weiße Substanz" bezeichnet werden.

Funktion der Myelinscheide

Zunächst kann man die Funktion der Myelinhülle mit der eines Isolators vergleichen. Sollen beispielsweise mehrere Kupferdrähte zusammen verlegt werden, so ist es ratsam, isolierte Kupferdrähte zu nehmen, weil es sonst zu Kurzschlüssen kommt. Ähnlich ist es, wenn sich zwei "nackte" Axone berühren würden; die Aktionspotenziale des einen Axons könnten Aktionspotenziale auf dem anderen Axon auslösen. Die Myelinscheide verhindert einen solchen Kurzschluss.

Aber die Myelinscheide hat eine viel wichtigere Funktion als die des Isolators. Durch die Myelinisierung wird die Geschwindigkeit, mit der Aktionspotenziale auf dem Axon weitergeleitet werden, um einen hohen Faktor beschleunigt. Die Leitungsgeschwindigkeit der Aktionspotenziale hängt von dem Durchmesser des Axons ab: Je größer der Durchmesser, desto höher die Leitungsgeschwindigkeit. In der Evolution ging daher bei Wirbellosen Tieren der Trend zu immer dickeren Axonen. Spitzenreiter sind hier bestimmte Tintenfischarten (Loligo), bei denen die Axone so dick geworden sind, dass man sie sogar mit bloßem Auge sehen kann.

In der Fachliteratur habe ich nun ein schönes Zitat gefunden, das die Notwendigkeit der Myelinisierung ganz deutlich macht:

"Wären die Axone der Bahnen des Rückenmarks nicht myelinisiert, so müßten sie zur Erfüllung der gleichen Leistung den Durchmesser einer mehrere hundert Jahren alten Eiche aufweisen." [3]

Tatsächlich war die "Erfindung" der Myelinscheide ein Quantensprung in der Evolution. Die Leistung des Nervensystems konnte so drastisch gesteigert werden, ohne dass die Durchmesser der Axone ins Riesenhafte anwachsen mussten.

Erkrankungen, die mit der Myelinscheide zusammenhängen

Ein krankhafter Abbau von Myelinscheiden ist die Ursache vieler neurologischer Erkrankungen, wird zumindest vermutet.

"Demyelination is the loss of the myelin sheath insulating the nerves, and is the hallmark of some neurodegenerative autoimmune diseases, including multiple sclerosisacute disseminated encephalomyelitisneuromyelitis opticatransverse myelitischronic inflammatory demyelinating polyneuropathyGuillain–Barré syndromecentral pontine myelinosis, inherited demyelinating diseases such as leukodystrophy, and Charcot–Marie–Tooth disease." [2]

Die bekannteste der in der engl. Wikipedia genannten Krankheiten ist sicherlich die Multiple Sklerose, eine Autoimmunerkrankung des Nervensystems. Bei dieser Krankheit werden die Myelinscheiden der Nervenzellen durch körpereigene Immunzellen angegriffen. Die Ursachen und die Mechanismen, die zu dieser Schädigung führen, sind aber noch nicht vollständig geklärt [4].

Quellen:

  1. deutsche Wikipedia, Artikel "Myelin", abgerufen am 10.07.2020
  2. englische Wikipedia, Artikel "Myelin: Demyelination", abgerufen am 10.07.2020
  3. Wilhelm Stoffel, "Die Myelinmembran des Zentralnervensystems — essentielle makromolekulare Strukturen und Funktion" in Angewandte Chemie, September 1990.
  4. deutsche Wikipedia, Artikel "Multiple Sklerose", abgerufen am 11.07.2020