Die Verdauung beginnt bereits im Mund
Ein einfacher Versuch
Nehmen Sie sich ein etwas älteres normales Brötchen und beißen Sie einen großen Happen ab. Kauen Sie diesen Happen längere Zeit kräftig durch. Anfangs schmeckt das Brötchen nach Mehl, je länger Sie aber kauen, desto mehr macht sich ein leicht süßlicher Geschmack bemerkbar.
Mit diesem einfachen Versuch kann man zeigen, dass die Stärke des Brötchens bereits im Mund in Zucker zerlegt wird. Verantwortlich ist dafür das Enzym Amylase, das im Mundspeichel vorkommt. Dieses Enzym, das übrigens von der Ohrspeicheldrüse gebildet wird, spaltet von dem Polysaccarid Stärke Maltose-Bausteine (Malzzucker) ab. Maltose ist ein Disaccarid, das aus jeweils zwei Glucose-Einheiten besteht.
Dieser Versuch wird gern in der Schule durchgeführt, und zwar in jeder Klassenstufe. Man findet ihn bereits in Biologiebüchern der 5. Klasse, aber auch in Oberstufenbüchern für die Stufe EF bzw. 10. Auch im Internet findet man jede Menge Anleitungen für diesen Versuch. Ich habe mal zwei schöne Beispiele für Sie herausgesucht, nämlich einmal eine Version für die Grundschule, dann eine Version für das Grundstudium an der Universität.
Für Experten:
Die 1,6-glycosidischen Bindungen des Amylopektins (des verzweigten Stärke-Bausteins) werden von der Speichel-Amylase nicht angegriffen. Daher entstehen bei der Verdauung im Mund nicht nur Maltose-Moleküle, sondern auch noch sogenannte Grenzdextrine, das sind kleinere Spaltprodukt des Amylopektins, die noch Verzweigungen enthalten.
Vorgänge im Magen
Der Nahrungsbrei mit der Stärke und der Maltose gelangt in den Magen. Wegen der Magensäure herrscht hier ein stark saures Milieu (bei gesunden Menschen pH 1,5 bis 2,5), was die Moleküle der Amylase außer Kraft setzt, sie können bei diesen pH-Werten nicht mehr arbeiten. Warum die Aktivität von Proteinen und speziell Enzymen von dem pH-Wert abhängt, habe ich auf meinen Seiten zur Enzymatik (Biologie) ausführlich erklärt.
Ein enzymatischer Abbau der Kohlenhydrate findet im Magen nicht statt, allerdings wird der Nahrungsbrei angesäuert und stark mit Wasser vermischt. Für die langkettigen und stark verknäulten Amylose- und Amylopektin-Moleküle hat das durchaus Folgen: die Ketten "entknäulen" sich nämlich (sie quellen auf) und werden dadurch für die Enzyme des Dünndarms leichter angreifbar (Prinzip der Oberflächen-Vergrößerung).
Vorgänge im Dünndarm
Nach zwei bis drei Stunden im Magen gelangt der Nahrungsbrei schubweise durch den Pförtner (einem Ringmuskel) in den Zwölffingerdarm, das Übergangsstück zwischen Magen und Dünndarm. In dem Zwölffingerdarm münden die Ausgänge der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse. Die Gallenblase spielt für die Kohlenhydrat-Verdauung keine Rolle, wohl aber die Bauchspeicheldrüse. Sie gibt nämlich Verdauungssäfte an den Zwölffingerdarm ab, die weitere Enzyme für die Kohlenhydrat-Verdauung enthalten. Außerdem ist das Bauchspeicheldrüsen-Sekret alkalisch (pH 8,2 bis 8,5), neutralisiert somit also den sauren Nahrungsbrei aus dem Magen.
Enzymatische Zerlegung der Kohlenhydrate im Dünndarm
Amylase
Im ersten Schritt spaltet die Bauchspeichel-Amylase die Stärke vollständig in Maltose-Moleküle.
Für Experten:
Es gibt in unserem Körper zwei Gene für zwei verschiedene Isoformen der Bauchspeichel-Amylase sowie drei Gene für drei Isoformen der Speichel-Amylase. Die Isoformen der Bauchspeichel-Amlyse (alpha-Amylase) unterscheiden sich etwas in ihrem molekularen Aufbau, arbeiten aber auf die gleiche Weise, sie zerlegen nämlich Amylose (den unverzweigten, spiralisierten Stärke-Bestandteil) von innen, indem sie die 1,4-glycosidischen Bindungen zerlegen. Dabei entstehen kürzere Bruchstücke, vor allem Maltose und Maltotriose(3 x Glucose). Das Amylopektin wird ebenfalls in Maltose, Maltotriose sowie verzweigte Oligosaccharide aus wenigen Glucose-Bausteinen zerlegt.
Maltase
Im zweiten Schritt werden die Maltose-Disaccharide durch die Maltase des Bauchspeichels und der Dünndarmwand in Glucose-Moleküle gespalten.
Saccharase
Dieses Enzym spaltet das Disaccarid Saccharose (Haushaltszucker) in seine Bausteine, nämlich Glucose und Fructose.
Laktase
Auch der mit der Nahrung aufgenommene Milchzucker, die Lactose, wird im Dünndarm durch Enzyme zerlegt. Die Laktase spaltet die Lactose in Galactose und Glucose.
Resorption
Alle Polysaccharide und Disaccharide sind nun in ihre Bausteine zerlegt worden, in Glucose, Galactose und Fructose, vor allem natürlich in Glucose, weil dies der einzige Baustein der Stärke ist und außerdem sowohl in Lactose wie auch in Saccharaose vorkommt. Auf 100 g resorbierter Glucose (aufgenommener Traubenzucker sowie Spaltprodukt von Stärke, Rohrzucker und Milchzucker) kommen bei einem gesunden Menschen bei normaler Ernährung rund 20 g Fructose (aufgenommener Fruchtzucker sowie Spaltprodukt aus Rohrzucker) und 5 g Galactose (Spaltprodukt aus Milchzucker).
Jetzt kommen die Dünndarmzotten ins Spiel. Das sind feine fingerartige Ausstülpungen der Dünndarmwand, winzig klein, so dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennen kann.
Auf diesem public domain-Bild aus der berühmten "Gray's Anatomy" sieht man einen Querschnitt durch die Wand des Zwölffingerdarms einer Katze. Man kann neun Darmzotten erkennen. Eine Darmzotte ist ungefähr so aufgebaut wie auf dem folgenden Bild:
Außen sehen wir eine Schicht von Epithelzellen, die Zellkerne sind gut zu erkennen. Im Innern einer Darmzotte finden wir Blutgefäße (rot) sowie Lymphgefäße (gelb). Die Darstellung ist stark vereinfacht; die verschiedenen Zelltypen des Epithels wurden zum Beispiel nicht berücksichtigt, auch nicht die anderen Zellen im Innern der Darmzotte.
Die Glucose-Moleküle gelangen aus dem Dünndarm in die Epithelzellen der Darmzotte. Die Oberfläche dieser Epithelzellen ist durch Mikrovilli (fadenförmige Ausstülpungen der Membran) noch stark vergrößert. Die Epithelzellen transportieren die Glucose dann in die Kapillargefäße, die mit dem Blutkreislauf verbunden sind. Die Lymphgefäße spielen bei der Kohlenhydrat-Verdauung keine besondere Rolle.
Vom Dünndarm zur Leber
Die Glucose-Moleküle sind nun in den Blutkreislauf übergetreten. Von da aus geht es zuerst in die Leber, und zwar über die Pfortader. Ein kleiner Teil der Glucose-Moleküle versorgt die Leber mit Energie, ein größerer Teil der Glucose wird aber in der Leber in Form von wasserunlöslichem Glycogen gespeichert. Glycogen ist ein Polysaccharid und wird auch als "tierische Stärke" bezeichnet. Vom Aufbau her ähnelt das Glycogen dem Amylopektin, einem Bestandteil der pflanzlichen Stärke. Allerdings ist Glycogen wesentlich stärker verzweigt als Amylopektin und kann daher leichter und vor allem schneller wieder in Glucose abgebaut werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Körper verstärkt Glucose benötigt. Die Leber ist also eine Art Puffer für dem Blutglucosespiegel.
Für die Bildung von Glycogen ist das Hormon Insulin verantwortlich. Eine kohlenhydratreiche Nahrung lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen, worauf die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin produziert. Wenn dann der Insulinspiegel im Blut ansteigt, führt das dazu, dass die Leber und die Muskeln verstärkt Glycogen bilden, was den Blutzuckerspiegel wieder fallen lässt.
Ist der Blutzuckerspiegel andererseits zu niedrig, wird in der Bauchspeicheldrüse das Hormon Glucagon produziert, und dieses Hormon begünstigt den Abbau des Leber-Glycogens. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt wieder an.
Wenn Sie nähere Einzelheiten zu dem Thema "Glycogen und Insulin" wissen möchten, gehen Sie einfach auf meine Vertiefungsseite zum Thema. Für Schüler der Stufe EF ist diese Seite mit Sicherheit nicht geeignet - nur als kleine Vorwarnung.
Die meisten Glucose-Moleküle werden in der Leber allerdings nicht in Glycogen umgewandelt. Sie verlassen die Leber wieder und gelangen dann dorthin, wo sie benötigt werden, nämlich zu den Körperzellen.
Wie bereits weiter oben erwähnt wurde, gelangen auch die Monosaccharide Fructose und Galactose in das Blut. Von dort werden sie über die Pfortader ebenfalls in die Leber transportiert. Durch bestimmte Enzyme werden diese beiden Monosaccharide dann in Glucose umgewandelt, was ja auch nicht so schwer ist, da nur ein oder zwei OH-Gruppen umgebaut werden müssen.