Voraussetzungen
Wenn Sie diese Seite erfolgreich durcharbeiten wollen, sollten Sie folgende Fragen schon beantworten können:
- Was ist eine Lewis-Base?
- Was sind Halogenalkane und Alkohole?
- Was versteht man unter dem Prinzip des kleinsten Zwangs?
- Was sind primäre, sekundäre und tertiäre C-Atome?
Lernziele
Wenn Sie diese Seite durchgearbeitet haben, sollten Sie wissen
- Was man allgemein unter einer Substitution versteht,
- was der Unterschied zwischen einem Nucleophil und einer Lewis-Base ist,
- dass es zwei Arten von Nucleophilen gibt, anionische und neutrale,
- das hauptsächlich Halogenalkane und Alkohole das Angriffsziel von Nucleophilen sind,
- wie die Reaktion zwischen Brombutanen und Ethanol abläuft.
Nucleophile Substitution
Substitution
Bei einer Substitution wird eine Abgangsgruppe X eines organischen Substrats durch eine neue Eintrittsgruppe Y ersetzt:

X und Y können dabei Atome, Moleküle oder Ionen sein.
Nucleophile SubstitutionBei einer nucleophilen Substitution ist das angreifende Teilchen ein Nucleophil. Ein Nucleophil ist ein "kernliebendes" Teilchen, also ein Atom, Molekül oder Ion auf der "Suche" nach einer positiven Ladung. Es gibt zwei Sorten von Nucleophilen:
- Ein anionisches Nucleophil ist ein negativ geladenes Ion mit einem freien Elektronenpaar. Beispiele für anionische Nucleophile sind Halogenid-Ionen, Hydroxid-Ionen, Alkoholat-Ionen, Cyanid-Ionen etc.
- Ein neutrales Nucleophil ist ein neutrales Molekül mit einer negativen Teilladung und einem freien Elektronenpaar. Beispiele für neutrale Nucleophile sind Wasser, Ammoniak, Ethanol und so weiter.
Nucleophile sind also negativ geladene Ionen oder Moleküle mit einem negativ polarisierten Teil, die ein freies Elektronenpaar besitzen. Ein Nucleophil ist also immer gleichzeitig eine Lewis-Base. Aber nicht alle Lewis-Basen sind gleichzeitig Nucleophile. Weitere Informationen können Sie dazu im Exkurs "Nucleophile" oder auf der Lexikonseite "Nucleophilie" lesen.
Das Substrat R-X, also die organische Verbindung, die vom Nucleophil angegriffen wird, ist dagegen positiv geladen oder besitzt eine positive Teilladung. Halogenalkane und Alkohole sind typische Angriffsziele von Nucleophilen.
Ein kleiner Versuch
Nach dieser kurzen theoretischen Einführung machen wir erst mal einen kleinen Versuch, der so schön ist, dass er inzwischen in vielen Schulbüchern der Chemie abgedruckt ist, beispielsweise im aktuellen Schroedel-Band "Chemie heute SII Qualifikationsphase"[3].

Deutung des Versuchs
Das Alkohol-Molekül besitzt eine polare Hydroxygruppe, wobei das Sauerstoff-Atom eine negative Teilladung und zwei freie Elektronenpaare trägt. Das Ethanol-Molekül ist also ein gutes neutrales Nucleophil.

Das Ethanol-Molekül substituiert (ersetzt) das Brom-Atom im 2-Brombutan, dabei entstehen Ethyl-butyl-ether und Bromwasserstoff.
In Wirklichkeit läuft die Reaktion etwas komplexer ab. Zunächst spaltet Ethanol ein Proton ab und wird zum Ethanolat-Ion CH3-CH2-O-. Dieses Anion ist jetzt ein recht starkes Nucleophil. Es verdrängt das Brom-Atom aus dem 2-Brombutan. Allerdings wird kein Brom-Atom freigesetzt, sondern ein Bromid-Anion, also Br-.
Diese Bromid-Ion verbindet sich nun mit dem zuvor vom Alkohol abgespaltenen Proton zu Bromwasserstoff HBr.
Der Bromwasserstoff wiederum reagiert mit dem Silbernitrat zu Silberbromid und Salpetersäure. Das Silberbromid ist schwer wasserlöslich und fällt als gelblich weißer Niederschlag aus. Dadurch wird dem Reaktionsgemisch Bromid entzogen, und das führt nach dem Prinzip des kleinsten Zwangs dazu, dass sich das chemische Gleichgewicht der Reaktion weiter nach rechts verschiebt, zur Produktseite also.
Mit dem Substrat 1-Brombutan läuft die Reaktion nicht so gut, mit den vorhandenen Schulmitteln konnte jedenfalls keine Reaktion beobachtet werden. 2-Brombutan reagiert deutlich stärker, und am besten läuft die Reaktion bei 2-Brom-2-methylpropan ab. Offensichtlich nimmt die Reaktivität des Brombutans zu, wenn das Brom-Atom an einem sekundären C-Atom sitzt, und erst recht, wenn es an einem tertiärem C-Atom sitzt.
In der Dyker-Vorlesung[1] werden folgende spektakuläre Zahlen genannt:
- Bromethan: 1
- 2-Brompropan: 12
- 2-Brom-2-methylpropan: 120.000
Bei diesen Zahlen handelt es sich um die relative Geschwindigkeit der Reaktion von Bromalkanen mit Wasser als Nucleophil in Aceton als Lösemittel bei Zimmertemperatur. Das tertiäre 2-Brom-2-methylpropan reagiert 120.000 mal heftiger / schneller / besser als das primäre Bromethan. Woran das liegt, werden wir auf einer späteren Seite noch genauer sehen.
Quellen:
- Vorlesung Organische Chemie 1.17 von Prof. G. Dyker: "Nucleophile Substitution" (YouTube)
- Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
- Chemie heute SII, Qualifikationsphase, Braunschweig 2014.