Versuch
Schwache Säuren, bei denen das Protolysegleichgewicht weit auf der linken Seite liegt, lassen sich ebenfalls mit einer Lauge titrieren. Allerdings verläuft die Titration hier anderes, da stets nur ein geringer Teil der Säure-Moleküle dissoziiert ist. In dem Versuch 12 wollen wir die Titrationskurve der Reaktion einer schwachen Säure mit NaOH erstellen.
Nachtrag 2016
Der Versuch 12 wurde von einem meiner beiden Chemie-Grundkurse im Dezember 2016 wiederholt, diesmal allerdings mit Essigsäure- und Natronlauge-Konzentration von 1 mol/l. Statt aus einer Bürette wurden die 10ml-Dosen NaOH aus Pipetten zugegeben, um die Sache zu vereinfachen. Sonst hätte bei insgesamt 200 ml NaOH die 50ml-Bürette dreimal nachgefüllt werden müssen, was immer ein gewisses Sicherheitsrisiko darstellt. Die Bürette wurde dann benutzt, um in der Nähe des Äquivalenzpunktes die kleineren NaOH-Dosen zuzugeben.
Hier die graphische Darstellung der Versuchsergebnisse:
Erklärungen
Zwei Tatsachen fallen bei der Titrationskurve sofort auf:
- Die Kurve beginnt nicht bei einem pH-Wert von 0, sondern bei einem pH-Wert von ca. 3. Wie man leicht ausrechnen kann, liegt der pH-Wert einer 0,1-molaren Essigsäure bei 2,8.
- Der Äquivalenzpunkt liegt nicht bei pH = 7, sondern bei pH = 9,3. Das liegt daran, das Natriumacetat, das Salz, das sich bei der Neutralisation von Essigsäure mit Natronlauge bildet, ein alkalisches Salz ist. Eine Lösung dieses Salzes - und nichts anderes liegt nach der Neutralisation der Essigsäure ja vor - hat einen pH-Wert um 9,3.
Bei näherer Betrachtung fällt noch auf, dass die Titrationskurve zu Beginn der NaOH-Zugabe recht steil ansteigt. Dann flacht die Kurve aber ab und erreicht den sogenannten Halbäquivalenzpunkt. Der pH-Wert an diesem Halbäquivalenzpunkt entspricht genau dem pKS-Wert der Essigäsure, nämlich 4,65. Mathematisch gesehen ist der Halbäquivalenzpunkt ein Wendepunkt des Graphen, genau wie der Äquivalenzpunkt.
Eine "richtige" Erklärung der Versuchsergebnisse ist das nicht, dazu müsste man sich erst mit Pufferlösungen beschäftigen, die aber erst im nächsten Abschnitt behandelt werden. Das hält aber viele gute Schulbücher nicht davon ab, auch zuerst das Thema "Titrationskurven" zu behandeln und erst anschließend "Pufferlösungen". Eine schöne Ausnahme ist der "SALTERS" aus dem Schroedel-Verlag. Hier werden tatsächlich zuerst die Puffer behandelt und dann die Titrationskurven.