Schülerversuch:

Versuch 5A: Chlor und Natriumbromid

Durchführung:
  1. Geben Sie in ein Reagenzglas zunächst etwas Natriumbromid-Lösung und dann das gleiche Volumen Chlorwasser.
  2. Schütteln Sie das Reagenzglas kräftig (Stopfen!)
  3. Lassen Sie das Stoffgemisch etwas stehen und beobachten Sie.

Beobachtungen:

Das ursprünglich farblose Eduktgemisch färbt sich während der Reaktion braun.

Erklärungen:

Die braune Farbe des Produktgemisches kann durch die Entstehung von Brom erklärt werden:

$2 Br^{-} \to Br_{2} + 2 e^{-}$

Bei dieser Reaktion werden die Bromid-Ionen oxidiert. Die beiden entstandenen Brom-Atome vereinigen sich dann zu einem Brom-Molekül. Die beiden Elektronen, die hier freigesetzt werden, dienen dann zur Reduktion der Chlor-Moleküle des Chlorwassers:

$Cl_{2} + 2 e^{-} \to 2 Cl^{-}$

Wir haben es also mit einer klassischen Redoxreaktion zu tun, bei der Elektronen von den Bromid-Ionen auf die Chlor-Moleküle übertragen werden. Die Bromid-Ionen werden oxidiert, die Chlor-Moleküle reduziert. Die beobachtete Braunfärbung des Stoffgemischs wird durch das entstandene Brom hervorgerufen.

Schülerversuch, Fortsetzung 1:

Versuch 5B: Chlor und Natriumiodid

Durchführung:

Wiederholen Sie Versuch 5A, nur verwenden Sie diesmal eine Natriumiodid-Lösung statt der Natriumbromid-Lösung.

Beobachtungen:

Das ursprünglich farblose Stoffgemisch färbt sich mehr oder weniger kräftig violett.

Die Reaktion läuft nach dem gleichen Prinzip ab wie der erste Teilversuch. Allerdings werden jetzt nicht Bromid-Ionen oxidiert, sondern Iodid-Ionen. Statt Brom entsteht daher violettes Iod:

$2 I^{-} \to I_{2} + 2 e^{-}$

Die Reduktions-Reaktion ist die gleiche wie bei Versuch 5A:

$Cl_{2} + 2 e^{-} \to 2 Cl^{-}$Schülerversuch, Fortsetzung 2:

Versuch 5C: Brom und Natriumchlorid

Durchführung:
  1. Geben Sie in ein Reagenzglas zunächst etwas Natriumchlorid-Lösung und dann das gleiche Volumen Bromwasser.
  2. Schütteln Sie das Reagenzglas kräftig (Stopfen!)
  3. Lassen Sie das Stoffgemisch etwas stehen und beobachten Sie.

Beobachtungen:

Das ursprünglich farblose Stoffgemisch verändert sich nicht!

Auswertung

Erinnert Sie das nicht an etwas? Ganz am Anfang dieser Reihe hatten wir einen Eisennagel in eine Kupfersulfat-Lösung gestellt und die Bildung einer Kupferschicht beobachtet. Das Eisen wurde oxidiert, die Kupfer-Ionen nahmen die Elektronen auf und wurden zu elementarem Kupfer:

$Cu^{2+}_{(aq)} + Fe_{(s)} \to Fe^{2+}_{(aq)} + Cu_{(s)}$

Stellen wir dagegen einen Kupfernagel in eine Eisensulfat-Lösung, passierte gar nichts. Analog ist es auch mit den hier durchgeführten Reaktionen. Ähnlich wie ein Metall Elektronen an ein anderes Metall-Kation abgeben kann, so kann auch das Anion eines Nichtmetalls Elektronen an ein anderes Nichtmetall abgeben:

$2 Br^{-} + Cl_{2} \to Br_{2} + 2 Cl^{-}$

Die Spannungsreihe der Halogene

Ein Text von Ulrich Helmich

Bei dem Eisennagel-Versuch hatten wir die Reaktion so erklärt, dass das Eisen ein negativeres Redoxpotenzial hat als das Kupfer. Das Eisen ist daher eher geneigt, Elektronen abzugeben, während Kupfer-Ionen eher geneigt sind, Elektronen aufzunehmen. Daher fließen die Elektronen vom Elektronen-Donator Fe zum Elektronen-Akzeptor Cu2+. Stellt man einen Kupfernagel in eine Eisensulfat-Lösung, passiert nichts. Die Elektronen können nicht "bergauf" vom Kupfer zum Eisen fließen.

Bei den Nichtmetallen Chlor, Brom und Iod scheint es sich ähnlich zu verhalten.

  • Versuch 5A: Bromid-Ionen können Elektronen an Chlor-Moleküle abgeben.
  • Versuch 5B: Iodid-Ionen können Elektronen an Chlor-Moleküle abgeben.
  • Versuch 5C: Chlorid-Ionen können keine Elektronen an Brom-Moleküle abgeben.

Offensichtlich gibt es auch hier eine Redoxreihe, und die Elektronen können nicht beliebig von einem Nichtmetall-Ion auf die Atome eines anderen Nichtmetalls übertragen werden.

Auf diesem Bild sehen Sie die Redoxreihe der Halogene. Iodid-Ionen haben das "höchste" Redoxpotenzial, sie können Elektronen an Brom- und Chlor-Moleküle abgeben, und auch an Fluor-Moleküle. An zweiter Stelle stehen die Bromid-Ionen, sie können Elektronen an Chlor- und Fluor-Moleküle abgeben, nicht aber an Iod-Moleküle.

Wie man die genauen Werte der Redoxpotenziale bestimmt, wird auf der nächsten Seite ausgeführt.