Ein kleines Problem mit der Glycolyse...
Die aerobe Dissimilation (Atmung) besteht bekanntlich aus drei Abschnitten (vier Abschnitten, wenn man den Zwischenschritt mit dazu rechnet):
- Glycolyse - hier wird Glucose in zwei C3-Körper zerlegt. Durch die Oxidation dieser C3-Körper werden pro Molekül Glucose 2 NADH/H+ gewonnen, außerdem 2 ATP. Das Endprodukt der Glycolyse ist das Anion der Bernsteinsäure - das Pyruvat.
- Zwischenschritt: Umwandlung des Pyruvats in Acetyl-Coenzym A (aktivierte Essigsäure). Dabei werden pro Moleküle Glucose 2 NADH/H+ gewonnen, außerdem werden zwei Moleküle CO2 (Kohlendioxid) abgespalten.
- Citratzyklus: Die aktivierte Essigsäure wird schrittweise oxidiert, dabei wird sehr viel NADH/H+ und etwas FADH2 gewonnen. Außerdem werden pro Molekül Glucose vier Moleküle CO2 abgespalten.
- Atmungskette: Das in der Glycolyse und im Citratzyklus gewonnene NADH/H+ bzw. FADH2 wird energetisch "entladen". Im Grunde läuft hier eine gesteuerte und in viele kleine Schritte zerlegte Knallgasreaktion ab. Der chemisch gebundene Wasserstoff wird mit dem Luftsauerstoff O2 zur Reaktion gebracht, dabei entsteht Wasser - pro Molekül Glucose werden sechs Sauerstoff-Moleküle aufgenommen, dabei entstehen sechs Wasser-Moleküle.
Kleines Problem
Bei der Glycolyse wird NAD+ verbraucht; das beladeneNADH/H+ wird der Atmungskette zur Verfügung gestellt, diese "entlädt" das NADH/H+, so dass wieder neues NAD+ entsteht. Dieses NAD+ steht dann wieder für die Glycolyse zur Verfügung. Das Ganze funktioniert aber nur in Anwesenheit von Sauerstoff - unter aeroben Verhältnissen. In Abwesenheit von Sauerstoff, also unter anaeroben Bedingungen, kann die Atmungskette nicht ablaufen, und dann macht auch der Citratzyklus wenig Sinn, der der Atmungskette vorgeschaltet ist.
Wer versorgt aber nun die Glycolyse mit "neuem" NAD+?. Die Atmungskette steht ja nicht mehr zur Verfügung. Die Lösung des Problems heißt hier: Gärung.
Gärungen
Alkoholische Gärung
Das ist wohl die bekannteste Gärungsform überhaupt. Zunächst findet im Zellplasma die normale Glycolyse statt, Glucose wird also in je zwei Moleküle Pyruvat umgewandelt, und dabei entstehen 2 ATP-Moleküle, von denen die Zelle dann leben muss. Das gebildete NADH kann die Zelle dagegen nicht verwerten, wenn kein Sauerstoff zur Verfügung steht.
Das Enzym Pyruvatdecarboxylase spaltet zunächst ein Molekül Kohlendioxid vom Pyruvat ab, dabei entsteht die altbekannte Verbindung Acetaldehyd. Der zweite Schritt dient dann Wiederherstellung von NAD+. Das Enzym Alkoholdehydrogenase reduziert Acetaldehyd zu Ethanol, dazu wird NADH/H+"verbraten", und übrig bleibt das NAD+.
Weitere Einzelheiten zur Alkoholischen Gärung siehe den sehr ausführlichen Wikipedia-Artikel.
MilchsäuregärungBei der Milchsäuregärung wird die Glucose zur Milchsäure umgewandelt, vor allem Milchsäurebakterien sind bekannt für diese Form der Gärung. Auch bei der Milchsäuregärung wird Glucose zunächst in Pyruvat umgewandelt, es findet also wieder eine normale Glycolyse statt. Das Enzym Lactatdehydrogenase reduziert das Pyruvat dann zu Lactat, dem Salz der Milchsäure. Für diese Reduktion wird wiederNADH/H+verbraucht, und es entsteht NAD+.
Milchsäuregärung in den Muskeln
Die Milchsäuregärung wird übrigens nicht nur von Milchsäure- und anderen Bakterien durchgeführt, sondern auch in den Skelettmuskeln des Menschen kann eine Milchsäuregärung stattfinden. Allerdings nur dann, wenn der Muskel stark beansprucht wird und kurzzeitig nicht mehr genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Dann wird Lactat aus Pyruvat produziert und über das Blut in die Leber verfrachtet. Später, wenn wieder genügend Sauerstoff verfügbar ist, wird das Lactat in der Leber wieder in Pyruvat umgewandelt und dann erneut dem Citratzyklus und der Atmungskette zugeführt. Dieser Prozess kostet Sauerstoff, und daher muss man nach starker körperlicher Anstrengung auch stärker atmen als normalerweise.
Milchsäuregärung in anderen Zellen des Menschen
Auch in einigen anderen menschlichen Zellen findet eine Milchsäuregärung statt, beispielsweise in den roten Blutkörperchen. Diese Zellen sind so klein, dass sie weder einen Zellkern noch Mitochondrien enthalten. Der einzige Weg der Energieversorgung ist die Milchsäuregärung. Auch die Zellen der Hornhaut betreiben Milchsäuregärung, weil die Hornhaut zu den wenigen Geweben des menschlichen Körpers gehört, das nicht von Blutadern durchzogen ist; somit kann die Hornhaut auch nicht mit Sauerstoff versorgt werden.
Weitere Einzelheiten zur Milchsäuregärung siehe den ausführlichen Wikipedia-Artikel.
Weitere GärungsartenNeben der alkoholischen Gärung und der Milchsäuregärung gibt es eine ganze Reihe weiterer Gärungstypen, von denen hier nur die Propionsäure- und die Buttersäuregärung genannt werden sollen. Diese Gärungen laufen sehr viel komplizierter ab als die alkoholische oder die Milchsäuregärung, dienen aber letzten Endes ebenfalls zur Regeneration des NAD+. Bei der Buttersäuregärung wird soger noch ein zusätzliches ATP-Molekül pro Glucose-Molekül gebildet, somit ist diese Art der Gärung energetisch günstiger als die beiden beschriebenen Gärungsformen.
EssigsäuregärungDie Essigsäuregärung ist zwar eine Gärung, dient aber nicht zur Regeneration von NAD+ unter anaeroben Bedingungen. Bei der Essigsäuregärung wird Ethanol zu Essigsäure oxidiert, dazu ist Luftsauerstoff erforderlich, es handelt sich also um einen aeroben Prozess.