Ein umstrittener Begriff aus der Evolutionsbiologie bzw. Ökologie. Auf Deutsch bedeutet Präadaption so viel wie "Voranpassung".
Gemeint sind anatomische oder physiologische Merkmale oder bestimmte Verhaltensweisen, die bei Lebewesen anzutreffen sind und die ihnen in der augenblicklichen Umwelt keine besonders auffälligen Vorteile einbringen. Sobald sich die Umweltbedingungen jedoch ändern, verleihen diese Merkmale den Individuen einen Selektionsvorteil, plötzlich werden die "unauffälligen" Merkmale vorteilhaft.
Beispielsweise gibt es in einer Tierpopulation immer Individuen, die kältere Temperaturen besonders gut überstehen können, das sieht man ja auch bei jeder Temperatur-Toleranzkurve wie zum Beispiel hier:
Die meisten Individuen suchen freiwillig einen Temperaturbereich zwischen 15 und 30 Grad Celsius auf. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Individuen, die man bei Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad bzw. zwischen 30 und 36 Grad antrifft. Nicht viele Individuen, aber doch einige. Diese "extreme" Temperaturpräferenz mag genetisch bedingt sein - aber es ist ein schönes Beispiel für eine Präadaption. Wird nämlich die Umgebungstemperatur aus irgendwelchen Gründen plötzlich kälter, so haben diese Individuen einen Selektionsvorteil, da sie bereits an kalte Temperaturen "vorangepasst" waren.
Ein anderes, oft zitiertes Beispiel (allerdings nicht mehr ganz aktuell) ist der Quastenflosser, der durch seine muskulösen Flossen gut für die Eroberung des Festlandes geeignet - präadaptiert - war.
In der Schulbiologie wird gern der Fluktuationstest als Beispiel für Präadaption angeführt. Manche Bakterienzellen in einer Kultur haben bereits eine Resistenz gegen bestimmte Antibiotika entwickelt, bevor sie überhaupt in Kontakt mit diesem Antibiotikum kommen - rein zufällig und nicht zielgerichtet. Wenn die Kultur dann dem Antibiotikum ausgesetzt wird, ist klar, dass diese Zellen dann einen enormen Selektionsvorteil gegenüber den anderen Zellen habe - sie vermehren sich wie wild und nach ein paar Generationen sind alle Bakterien der Kolonie resistent gegen das zugesetzte Antibiotikum.
Diese Begriff ist in der Fachliteratur allerdings umstritten. Er hat nämlich eine teleologische Komponente. Unter Teleologie versteht man eine Zielgerichtetheit. "Präadaption" hört sich so an, als wüssten die Individuen oder die Population bereits vorher, dass es irgendwann mal kälter wird, und sie bereiten sich quasi schon einmal darauf vor. Das ist natürlich evolutionsbiologischer Unsinn, denn Evolution ist grundsätzlich nicht zielgerichtet, also nicht-teleologisch. Ein besserer Fachbegriff als Alternative zu Präadaption hat sich leider noch nicht in der biologischen Fachliteratur durchgesetzt. "Exaptation" käme hierfür in Frage, lt. Wikipedia versteht man darunter die "Nutzbarmachung einer Eigenschaft für eine Funktion, für die sie ursprünglich nicht entstanden war" oder eine "kreative Zweckentfremdung". Wörtlich übersetzt bedeutet Exaptation so viel wie "entfremdete Funktionsübernahme".