Allgemeines

Unter Langzeitpotenzierung versteht man eine Form der synaptischen Plastizität, bei der sich die Übertragungsstärke einer Synapse langfristig erhöht, wenn diese Synapse immer wieder erregt wird. Langzeitpotenzierung steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit Lernen und Langzeitgedächtnis.

Hier eine Definition aus dem Lexikon der Neurowissenschaften des Spektrum-Verlags:

"Langzeitpotenzierung ist eine Stunden oder gar Tage anhaltende Verstärkung der synaptischen Übertragung nach einer kurzen Serie von Aktionspotenzialen in einer präsynaptischen Nervenfaser".

Das Phänomen der Langzeitpotenzierung wurde an bestimmten Neuronen im Gehirn experimentell nachgewiesen.

Im Jahre 1973 machten T. Bliss und T. Lömo folgendes Experiment.

Eine präsynaptisches Zelle wird elektrisch stimuliert, so dass ihre synaptischen Endknöpfchen Neurotransmitter ausschütten.

Die Depolarisation der postsynaptischen Membran wird gemessen.

Ergebnis (wie erwartet): ein schwacher Reiz führt zu einer geringen Neurotransmitter-Ausschüttung und auch zu einer geringen Depolarisation der postsynaptischen Membran. Ein starker Reiz führt zu einer stärkeren Neurotransmitter-Ausschüttung und damit zu einer stärkeren Depolarisation. Das war also noch nichts Neues.

Dann beobachteten die beiden Forscher aber etwas sehr Interessantes und auch Neues: Je öfter die postsynaptische Zelle durch die präsynaptische Zelle depolarisiert wurde, desto empfindlicher wurde sie für die Neurotransmitter-Ausschüttung. Bereits eine schwache Reizung der präsynaptischen Zelle führte zu einer starken Depolarisierung der postsynaptischen Membran. Dieser Effekt hielt sogar mehrere Stunden an. Es sah fast so aus, als hätte die postsynaptische Zelle "gelernt", besser auf Reize der präsynaptischen Zelle zu reagieren.

Bliss und Löma hatten die Langzeitpotenzierung zwar nicht entdeckt, aber doch zum ersten Mal experimentell nachgewiesen.

All diese Neuronen haben eines gemeinsam: Sie benutzen Glutamat als Neurotransmitter, und in der postsynatischen Membran sitzen bestimmte Glutamat-Rezeptoren, nämlich die AMPA-Rezeptoren und die NMDA-Rezeptoren.

Induktion der Langzeitpotenzierung

AMPA-Rezeptoren

AMPA-Rezeptoren sind eine Untergruppe der Glutamat-Rezeptoren und gehören zu den häufigsten Rezeptoren im ZNS. Es gibt verschiedene Typen von AMPA-Rezeptoren, aber alle (bis auf einen Typ) sind für Calcium-Ionen durchlässig, teilweise auch für Natrium- und Kalium-Ionen, aber hauptsächlich für Calcium-Ionen. Die genauen Permeabilitäten der AMPA-Rezeptoren hängen von dem Aufbau des jeweiligen Rezeptors ab, der aus vier verschiedenen Protein-Untereinheiten besteht.

NMDA-Rezeptoren

NMDA-Rezeptoren sind ebenfalls eine Untergruppe der Glutamat-Rezeptoren. Allerdings ist die Permeabilität für Calcium-Ionen ca. 50 mal höher als bei den AMPA-Rezeptoren, und die Depolarisierung der postsynaptischen Membran hält deutlich länger an als bei dem AMPA-Rezeptoren, nämlich einige hundert Millisekunden, während die Depolarisierung durch die AMPA-Rezeptoren nur wenige Millisekunden andauert.

Und jetzt kommt's: Im nicht-erregten Normalzustand, also bei einem Membranpotenzial von -70 mV, sind die NMDA-Rezeptoren durch ein Magnesium-Ion verschlossen, das in dem Ionenkanal des Rezeptors sitzt. Dieses Mg2+-Ion wird durch die negativ geladene Membraninnenseite elektrostatisch festgehalten. Erst bei einer starken Depolarisierung über -30 mV hinaus kann sich das Magnesium-Ion aus dem Ionenkanal lösen, und der NMDA-Rezeptor wird permeabel für Ca2+-Ionen.

Die NMDA-Rezeptoren leiten also Ca2+-Ionen nur dann, wenn die postsynaptische Membran bereits depolarisiert ist. Das kann durch andere Rezeptoren in der gleichen Synapse oder durch die Aktivierung benachbarter Synapsen (räumliche Summation) geschehen. Auch eine hochfrequente Depolarisierung der synaptischen Membran durch die gleiche Synapse (zeitliche Summation) kann zu diesem Effekt führen.

Expression

Welche Folge hat nun der verstärkte Ca2+-Einstrom in die postsynaptische Zelle? Calcium-Ionen erfüllen viele Aufgabe in einer Zelle. Bereits bei der Besprechung der synaptischen Vorgänge hatten wir gesehen, dass Calcium-Ionen zum Beispiel das Verschmelzen der synaptischen Vesikel mit der präsynaptischen Membran aktivieren. Eine andere Aufgabe der Calcium-Ionen ist die Aktivierung des Enzyms Proteinkinase C sowie der Ca2+/Calmodulin-abhängigen Kinasen (kurz CaMKII).

Proteinkinase C

Dieses Enzym überträgt eine Phosphatgruppe von einem ATP-Molekül auf bestimmte Aminosäuren anderer Enzyme und aktiviert diese dadurch. Über mehrere recht komplexe Zwischenschritte werden schließlich Transkriptionsfaktoren im Zellkern der Zelle aktiviert, was dann zur Expression bestimmter Gene führen kann.

Zurück zur Langszeitpotenzierung. Der Calcium-Einstrom aktiviert also Proteinkinase C und andere Enzyme, die Folge ist die verstärkte Produktion von AMPA-Rezeptoren, die dann in die postsynaptische Membran eingebaut werden. Diese neuen AMPA-Rezeptoren sowie die bereits vorhandenen werden dann durch die Ca2+/Calmodulin-abhängigen Kinasen aktiviert. Auf diese Weise wird die postsynaptische Zelle für Glutamat empfindlicher gemacht.

Für ausführlichere Informationen zur Langzeitpotenzierung gehen Sie bitte auf die entsprechende Seite in meiner Neurobiologie-Abteilung.