Innerhalb des Axons findet ein Transport von chemischen Verbindungen und zellulären Bausteinen in beide Richtungen statt. Dabei unterscheidet man einen schnellen und einen langsamen Mechanismus.
Schneller axonaler Transport
anterograder Transport
Um dem axonalen Transport auf die Spur zu kommen, hat man Proteine, die im Soma der Nervenzelle hergestellt werden, radioaktiv markiert. Dazu hat man 3H-Leucin eingesetzt, also eine Aminosäure, die 3H-Wasserstoff-Atome (Tritium) enthielt. So konnte man gut verfolgen, wie schnell sich die Radioaktivität im Axon ausbreitet.
Der obere Graph zeigt die Verteilung der Radioaktivität im Axon zwei Stunden nach der Injektion des radioaktiven Markers in das Soma, der untere Graph zeigt die Verteilung nach 10 Stunden. Die "Front" des Vordringens der Radioaktivität ist durch einen gelben Balken markiert. Nach 2 Stunden haben die radioaktiven Verbindungen ca. 35 bis 45 cm zurückgelegt, nach 10 Stunden bereits 150 bis 160 cm. Wenn man das auf einen Tag umrechnet, kommt man auf Geschwindigkeiten des axonalen Transports von bis zu 41 cm pro Tag. [1,2,3].
Im Vergleich zu einer passiven Diffusion ist das gewaltig. Würden Verbindungen durch passive Diffusion vom Soma zum synaptischen Endknöpfchen transportiert, so würde das bei einer Axonlänge von 1 Meter mehrere Jahre dauern [3].
Das bekannteste Beispiel für den schnellen axonale Transportist der Transport der synaptischen Vesikel. Die Zisternen des Golgi-Apparates schnüren diese Vesikel ab, und mit Hilfe von Mikrotubuli und dem ATP-spaltenden Enzym Kinesin werden die Vesikel zu den synaptischen Endknöpfchen transportiert.
Auf YouTube gibt es eine schöne Animation dieses Vorgangs. Dort sehen die Kinesin-Moleküle wie kleine Füße aus, mit denen die Vesikel auf den Mikrotubuli entlanglaufen: "A Day in the Life of a Motor Protein".
Von der gleichen Quelle gibt es ein weiteres tolles Video, das noch näher auf die verschiedenen Proteine eingeht, die beim axonalen Transport eine Rolle spielen, u.a. Kinesin und Dynein: "Transport inside the brain: The basic mechanisms of neuronal trafficking"
Die synaptischen Vesikel werden vom Soma zu den Endknöpfchen transportiert. Einen Transport in diese Richtung bezeichnet man als anterograden Transport [1,2] oder auch als orthograden Transport [3]. Verantwortlich dafür ist das Protein Kinesin, das unter ATP-Spaltung seine Konformation so verändert, dass die mit dem Kinesin verbundenen Vesikel ein winziges Stück weiter transportiert werden [1,2].
Nicht nur die synaptischen Vesikel werden auf diese Weise transportiert, sondern auch größere Zellbestandteile, vor allem die Mitochondrien [3].
retrograder Transport
Es gibt aber auch den aktiven Transport in Gegenrichtung, also von den synaptischen Endigungen zum Soma. Diesen schnellen axonalen Transport bezeichnet man als retrograden Transport. Verantwortlich hierfür ist ein anderes ATP-spaltendes Enzym, nämlich das Dynein. Das Dynein ist quasi der Gegenspieler des Kinesins (das wird besonders in dem ersten oben genannten Animationsfilm sehr gut dargestellt). Der retrograde Transport ist nicht ganz so schnell wie der anterograde Transport; die Vesikel werden mit ca. 27 bis 28 cm pro Tag transportiert ist, was immer noch sehr schnell ist im Vergleich zu einer passiven Diffusion [1,2]. Die etwas geringere Geschwindigkeit des retrograden Transports könnte daran liegen, dass hier größere Vesikel transportiert werden [3].
Die Aufgaben des retrograden Transports sind einmal das Recycling von Zellmaterial, zum Beispiel den "verbrauchten" synaptischen Vesikeln, und zum anderen die Weiterleitung chemischer Informationen von den Endknöpfchen zum Soma. Einige Nervenzelle geben beispielsweise Nervenwachstumsfaktoren in das umgebende Medium ab. Die synaptischen Endknöpfchen benachbarter Zellen nehmen diese Verbindungen auf und transportieren sie mit Hilfe des retrograden Transports zum Zellkern, wo dann Gene aktiviert werden, die zu einem Wachstum der Nervenzelle führen.
Leider bietet der retrograde Transport auch ein Einfallstor für Viren (Herpes, Tollwut, Kinderlähmung) und Toxine (Wundstarrkramp), die auf diese Weise zum Soma transportiert werden und dort Schaden anrichten können [3].
Langsamer axonaler Transport
Daneben gibt es noch den langsamen axonalen Transport, der mit Hilfe der in jeder Zelle vorhandenen Plasmaströmung erfolgt. Vor allem die Bausteine der Mikrotubli, die für den schnellen Transport wichtig sind, werden auf diese Weise transportiert. Einen retrograden langsamen axonalen Transport hat man bisher noch nicht beobachtet [1,2].
- Kandel, Schwartz, Jessel: Neurowissenschaften, Heidelberg 1996
- Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018
- Schmidt, Schaible: Neuro- und Sinnesphysiologie, Heidelberg 2006.
- Sidney Ochs, Rate of Fast Axoplasmatic Transport in Mammalian Nerve Fibres, in J. Physiol. (1972)