Dass Umweltbedingungen Einfluss auf die Aktivität von Genen nehmen, ist langebekannt. Ich erinnere hier an das berühmte Schulbuchbeispiel mit dem lac-Operonbei bestimmten Bakterien. Wenn im Außenmedium die Lactose-Konzentration hochund gleichzeitig die Glucose-Konzentration niedrig ist, löst sich ein Repressorproteink,das zuvor am Operator des lac-Operons gesessen hat, und die Strukturgene des lac-Operonskönnen transkribiert werden. Die daraus gebildeten Enzyme bauen dann den NährstoffLactose ab. Sinkt die Lactose-Konzentration im Außenmedium, verändertder Repressor seine Struktur derart, dass er sich wieder an den Operator setzt unddie Transkription der lac-Gene unterbindet. Hier haben wir einen ganz einfachen Mechanismus,mit dem Umweltfaktoren die Transkriptionsrate von Genen beeinflussen können.Diese Art der Genregulation ist allerdings sehr kurzfristig ausgelegt; mal sitztder Repressor am Operon, mal löst er sich…

Daneben gibt es andere Arten der Genregulation,beispielsweise beeinflusst der Packungsgrad des DNA-Histon-Komplexes im Zellkerndie Transkriptionsrate vieler Gene. Ist die DNA sehr dicht verpackt, werden überhauptkeine Gene abgelesen, während an den Stellen im Zellkern, wo die DNA recht lockerverpackt ist, Transkription stattfindet (falls die Gene nicht gerade durch Repressormoleküleblockiert werden).

In den letzten Jahrzehnten hat man bei Eukaryoten einen weiteren Mechanismus derGenregulation entdeckt, nämlich die Methylierungder DNA. Bestimmte Enzyme, die Methyltransferasen, hängen eine Methylgruppe(-CH3) an bestimmte Cytosin-Moleküle des DNA-Doppelstranges, vorallem an Cytosin-Moleküle, deren Nachbar ein Guanin-Molekül ist. GeradeCG-Paare, die sich am Anfang eines Genes befinden, werden besonders häufig methyliert.Eine solche Methylierung verhindert in den meisten Fällen ein Abschreiben desGens durch die RNA-Polymerase.

Einzelheiten zur DNA-Methylierung

Es gibt bei Säugetieren zwei Arten der DNA-Methylierung, die sich in ihrerFunktion unterscheiden: Erhaltungs-Methylierung und Neu-Methylierung.

Erhaltungs-Methylierung

Wenn sich die DNA verdoppelt hat, muss dafür gesorgt werden, dass das Methylierungsmusterder alten DNA auf die Tochter-DNA übertragen wird. Ansonsten werden in den TochterzellenGene aktiv, die in der Mutterzelle durch die Methylierung deaktiviert waren. Fürdiese Erhaltungs-Methylierung (engl.: Maintenance methylation) ist die MethyltransferaseDNMT1 zuständig.

Neu-Methylierung

Manchmal ist es erforderlich, DNA-Bereiche, die bisher noch nicht methyliert waren,durch Methylgruppen zu deaktivieren. Für diese Neu-Methylierung (engl.: de novomethylation) sind die beiden Methyltransferasen DNMT3a und DNMT3b zuständig.Besonders häufig kommt eine solche Neu-Methylierung in den frühen Phasender Embryonalentwicklung eines Säugetiers vor.

Mechanismus

Auf den genauen Mechanismusder DNA-Methylierung kann hier nicht eingegangen werden, das ist auch nicht dieAufgabe dieser für den Schulunterricht konzipierten Seite.

DNA-Methylierung und Epigenetik

Das ist ein ganz aktuelles Forschungsgebiet der Genetik. Wie kann die Umwelt dasMethylierungsmuster eines Organismus beeinflussen? Dass das geht, weiß maninzwischen. Man hat heute eine völlig andere Sicht auf die Frage "Geneoder Umwelt". Man weiß inzwischen, dass viele Umweltfaktoren wie Stress,Nahrungsmangel oder -überschuss etc. das Methylierungsmuster eines Menschenverändern können, so dass bestimmte Gene aktiviert werden, andere dagegenstillgelegt werden.

Und nicht nur das: Das Aktivierungsmuster kann auf die Nachkommen vererbt werden,wie zahlreiche Studien inzwischen belegen, zum Beispiel an Kindern von Menschen,die im letzten Weltkrieg Hunger leiden mussten. Ein ganz hervorragender, frei zugänglicherArtikel zu diesem Thema ist in einem Spiegel-Heftdes Jahres 2010 erschienen.

Eine der interessantesten Fragen der Epigenetik ist sicherlich, woher die Methyltransferaseneigentlich wissen, welche Gene sie methylieren müssen. Professorin Dr. IngridGRUMMT (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, siehe auch Pressemitteilung)hat nun entdeckt, dass bestimmte nichtcodierende RNAs eine wichtige Rolle bei derMethylierung spielen.

Und so funktioniert es:

Auf unserer DNA befinden sich Abschnitte, die für bestimmte RNA-Molekülecodieren. Die durch normale Transkription gebildeten pRNAs (so nennt man diese RNA-Moleküle)sind nun komplementär zu den Promotoren oder Operatoren (Genaueres weiß mannoch nicht bzw. ich habe es noch nicht genau genug recherchiert) von bestimmten Genen.Dort lagern sich die pRNAs dann an, so dass sich eine Dreifach-Helix bildet, bestehendaus der normalen Doppelhelix plus der passenden pRNA. An diese Dreifach-Helix nunkönnen die Methyltransferasen andocken und die DNA gezielt methylieren.

Das Interessante dabei ist, dass ca. die Hälfte unserer DNA für solchenichtkodierende RNA zuständig ist. Ingrid GRUMMT meint nun, dass es durchausdenkbar ist, dass für alle Gene, die zeitweise stillgelegt werden, nichtcodierendeRNA-Moleküle vorhanden sind.

Histone und DNA-Methylierung

Heute morgen habe ich einen tollen Artikel im Spektrum der Wissenschaft gelesen,der genau dieses Thema behandelt. Dieser Artikel, "DieEpigenetik neurodegenerativer Erkrankungen" von André Fische, der leider nicht frei zugänglich ist, beschreibtdie Rolle der Histone bei der DNA-Methylierung.

Histone sind die Proteine, die für das "Aufwickeln" der DNA verantwortlichsind. So bilden jeweils zwei H2A-, H2B-, H3- und H4-Histone einen großen Proteinkomplex,das Nucleosom. Um ein solches Nucleosom windet sich ein DNA-Abschnitt, der genau147 Nucleotide lang ist, in zwei Schlaufen (siehe meine Seite "Organisationder DNA").

Nun gibt es ein Enzym namens Histonacetyltransferase (HAT),das in der Lage ist, bestimmte Aminosäuren der Histone mit Actetylgruppen (-CH3-COOH;im Grunde sind das Essigsäure-Moleküle, denen ein H-Atom fehlt) zu versehen.Man spricht hier auch von einer Acetylierung.

Eine Aminosäure wird besonders "gern" acetyliert, nämlichdie basische Aminosäure Lysin.Wenn Lysin acetyliert wird, gibt die Aminogruppe der Seitenkette ihr zusätzlichesProton ab - sie ist dann nicht mehr positiv geladen, sondern neutral.

Werden mehrere solcher Lysin-Seitenketten acetyliert, verliert das Nucleosom allmählichseine positive Ladung, und die negativ geladene DNA (die Phosphatgruppen der DNAsind normalerweise negativ geladen) wird nicht mehr so gut von den Histonen der Nucleosomenangezogen. Die Bindung zwischen Histonen und DNA wird lockerer, und das wiederumbegünstigt das Ablesen bestimmter Gene.

Aber das ist nur eine Folge der Acetylierung der Histone. Enzyme, die fürdie Methylierung der DNA zuständig sind (siehe oben) erkennen das Acetylierungsmusterder Histone und beginnen dann, die um die Histone herumgewickelte DNA zu methylieren- oder umgekehrt Methylgruppen zu entfernen. Das Entfernen von Methylgruppen wiederumhat eine weitere Auflockerung der Histon-DNA-Struktur zur Folge, was eine Transkriptionder entsprechenden Gene wieder leichter macht.

Epigenetik und Lamarck

Bereits der französische Biologie Jean-Baptiste Lamarck (1744-1829) vermutete, dass Veränderungen der Umwelt zu Veränderungen (Modifizierungen) bestimmter Organe führen. Höhenfische beispielsweise, die immer im Dunklen leben, benutzen ihre Augen nicht mehr, und in der Folge bilden sich die Augen im Laufe des Lebens bei einem Höhlenfisch immer weiter zurück. Diese Modifizierung wird dann an die Nachkommen weitergegeben. Die Erkenntnisse der heutigen Epigenetik führen zu ähnlichen Aussagen. Frauen, die im harten Hungerwinter 1944 Kinder zur Welt brachten, berichten, dass ihre Kinder im Erwachsenenleben verstärkt unter Krankheiten und Allergien zu leiden hatten. Selbst ihre Enkel hatten statistisch gesehen häufiger bestimmte Krankheiten und Allergien als die Durchschnittsbevölkerung. Diesem eindeutig dokumentierten Phänomen liegen vermutlich epigentische Prozesse zu Grunde (DNA-Methylierung), die entfernt an Lamarcks These der Vererbung erworbener Eigenschaften erinnern.