In dieser wirklich schönen und bündigen Grundkursaufgabe aus dem Jahre 2015 geht es um die Evolution der Flussdelfine im Orinoco/Amazonas-Gebiet Südamerikas. In diesem Gebiet leben drei Unterarten der Flussdelfin-Art Inia geffrensis. Zwei dieser Unterarten sind sich sowohl morphologisch wie auch genetisch (DNA) sehr ähnlich, die dritte Unterart weicht sowohl genetisch wie auch morphologisch etwas stärker von den beiden anderen Unterarten ab, so dass Wissenschaftler darüber diskutieren, ob man die dritte Unterart nicht in den Rang einer eigenen Art erheben sollte.
Materialien
- Den Schülern wird als Arbeitsmaterial A ein Informationstext zu den Flussdelfinen zur Verfügung gestellt, der auch eine Südamerkika-Karte mit eingezeichneten Verbreitungsgebieten der Unterarten enthält. Auf dieser Karte kann man gut drei Verbreitungsgebiete erkennen, die durch geographische Barrieren voneinander getrennt sind.
- Das Arbeitsmaterial B besteht aus einem Text, in dem beschrieben wird, wie die Forscher die Mitochondrien-DNA (mtDNA) der drei Unterarten vergleichen. In einer Tabelle sieht man ein paar Basensequenzen der drei Unterarten; auf den ersten Blick fällt hier auf, dass zwei Unterarten sehr ähnliche DNA-Sequenzen haben (nur 5 Unterschiede bei insgesamt 21 Basen). Die dritte Unterart unterscheidet sich dagegen erheblich von den beiden anderen Unterarten (18 bzw. 19 Unterschiede).
- Das Arbeitsmaterial C schließlich enthält eine Tabelle über Veränderungen des Lebensraums der Flussdelfine über einen Zeitraum von 5 Millionen Jahren. Hier finden die Schüler genaue Informationen, wann zum Beispiel die beiden geographischen Barrieren entstanden sind, die die Unterarten voneinander trennen.
Teilaufgabe 1
- Zunächst soll die Verbreitung der drei Unterarten beschrieben werden, indem Arbeitsmaterial A ausgewertet wird.
- Dann soll das Arbeitsmaterial B ausgewertet werden; die Schüler sollen hier erkennen, dass zwei Unterarten eng nah verwandt sind, die dritte jedoch nicht.
- Es folgt eine Reproduktionsaufgabe, in der die Schüler erläutern sollen, wie man aus wenig DNA größere Mengen gewinnen und analysieren kann. Hier werden Kenntnisse der PCR und der Elektrophorese gefordert.
- Dann sollen die Schüler prüfen, ob der Vorschlag der Forscher berechtigt ist, die dritte Unterart in den Rang einer eigenen Art zu erheben. Dabei sollen sie auf die verschiedenen Artbegriffe eingehen. Gemeint ist hier vor allem der biologische und der morphologische Artbegriff, was in der Aufgabenstellung allerdings nicht gesagt wird.
Teilaufgabe 2
In dieser Teilaufgabe, die nicht weiter unterteilt ist, sollen die Schüler im Grunde alle Materialien auswerten und beschreiben, wie sich durch allopatrische Artbildung aus einer Delfinart, die vor Millionen Jahren in das Landesinnere eingewandert ist, die drei Unterarten gebildet haben.
Teilaufgabe 3
Die geographische Barriere, die das Orinoco-Flusssystem vom Amazonas-Flusssystem trennt, ist nicht völlig undurchdringlich. Gelegentlich findet man Vertreter von zwei Unterarten in dieser Schwarzwasserregion. Die Schüler sollen in dieser Teilaufgabe erörtern, ob es in der weiteren Evolution zu einer weiteren Aufspaltung der beiden Unterarten kommen kann.
Fazit
Ich persönlich finde diese Abituraufgabe hervorragend; alle Aspekte der Selektion und Artbildung werden hier sehr schön miteinander verknüpft, auch der biologische und morphologische Artbegriff werden berücksichtigt, und etwas Molekulargenetik findet sich ebenfalls in dieser Aufgabe. Auch meine Kollegen an meiner Schule fanden diese Aufgabe durchaus sinnvoll. Wie sie den Schülern gefallen hat, kann ich zur Zeit leider noch nicht sagen.